Carte blanche vom 24. November 2025: PISA: Wenn Sprache wichtiger ist als Kompetenz

 

PISA: Wenn Sprache wichtiger ist als Kompetenz

Alle drei Jahre veröffentlicht die OECD die PISA-Studie, die die Leistungen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler in Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften vergleicht und internationale Ranglisten erstellt. Nach sechs Jahren Pause nimmt Luxemburg dieses Jahr wieder teil, die Ergebnisse werden Ende 2026 erwartet. Für Gaston Ternes ist dies der ideale Zeitpunkt, um die Aussagekraft und Relevanz dieser Vergleiche zu hinterfragen.

PISA gilt als wissenschaftlich, neutral und weltweit vergleichbar. Um diese Objektivität zu gewährleisten, gelten strenge Kriterien: Jeder Schüler muss den Test in der offiziellen Unterrichtssprache absolvieren. In Luxemburg bedeutet das Deutsch oder Französisch in den nationalen Schulen, in den internationalen Schulen Englisch.

Doch die Teilnehmenden müssen sich für eine einzige Sprache für den gesamten Test entscheiden. Zwei Drittel der luxemburgischen Schüler wählen Deutsch und müssen Mathematikaufgaben in dieser Sprache bearbeiten – obwohl das Fach seit drei Jahren auf Französisch unterrichtet wird. Dies zeigt, wie wenig die OECD-Kriterien der Realität des luxemburgischen Bildungssystems gerecht werden, in dem das Verhältnis von Sprache und Kompetenz deutlich komplexer ist.

Statistische Korrekturen können diese Situation nur teilweise ausgleichen. In den meisten Ländern fällt die Unterrichtssprache mit der Muttersprache zusammen – in Luxemburg nicht. Unsere Schüler sind nicht weniger kompetent, doch sie haben größere Schwierigkeiten, die Texte in der gewählten Testsprache zu verstehen. PISA misst also vor allem Sprachkompetenz, nicht fachliche Leistung.

Klar gesagt: Für PISA ist Mehrsprachigkeit eher ein Nachteil – obwohl sie eine unserer größten Stärken ist. Schüler, die spontan zwischen zwei oder drei Sprachen wechseln können, entwickeln kognitive Flexibilität, vernetztes Denken und Vergleichsfähigkeit – genau die Fähigkeiten, die eine moderne, global ausgerichtete Bildung verlangt.

Luxemburg sollte sich daher nicht nur von der OECD bewerten lassen, sondern aktiv an der Weiterentwicklung der Studie mitwirken. PISA-Tests müssten es ermöglichen, die Sprache je nach Fach oder Teilbereich frei zu wählen. Die Bewertung der kompetenten Nutzung mehrerer Sprachen sollte verpflichtend werden, nicht nur optional über Zusatzmodule, die bislang keinen Einfluss auf das Ranking haben. Noch wichtiger: Die flexible Anwendung mehrerer Sprachen sollte zum zentralen Indikator werden.

So könnte PISA für Luxemburg zu einem echten Labor für die Zukunft des Lernens werden. Eine angepasste Methodik könnte zeigen, dass mehrsprachiges Denken kein Nachteil, sondern ein Vorteil ist. Der konsequente Einsatz mehrerer Sprachen in einem Fach zusätzlich zur Unterrichtssprache könnte Sprachen als Hilfe und nicht als Barriere beim Lernen etablieren.

Dies ist ein entscheidender Weg für Luxemburg: zu zeigen, dass Kompetenz nicht bedeutet, in einer Sprache zu denken, sondern sich souverän zwischen mehreren Sprachen zu bewegen.

 

Top of Form

 

Bottom of Form